EILMELDUNG: DIE DUNKLE SEITE DER FUSSBALLEUPHORIE – Ísak Bergmann Jóhannessons Social-Media-Albtraum nach Köln-Wechsel

 

Als der 22-jährige isländische Mittelfeldspieler Ísak Bergmann Jóhannesson am 1. Juni 2025 seinen 5,5-Millionen-Euro-Transfer von Fortuna Düsseldorf zum Rivalen 1. FC Köln vollzog, rechnete er mit Kritik. Doch was folgte, war ein regelrechter Sturm aus Hassnachrichten in den sozialen Medien – so massiv, dass er sämtliche Kommentar- und Nachrichtenfunktionen deaktivieren musste. Ein drastisches Beispiel für die toxische Kehrseite des modernen Profifußballs.


Vom Helden zum „Verräter“: Der Kuss, der alles entfachte

Jóhannessons “Verbrechen” in den Augen der Fortuna-Fans war nicht nur der Wechsel zum Rivalen – es war der gefühlte Verrat. Monate zuvor hatte er nach einem Last-Minute-Elfmeter gegen Köln leidenschaftlich das Fortuna-Wappen geküsst – direkt vor den mitgereisten Anhängern. Dieses Bild machte ihn zum „Publikumsliebling Nummer eins“ – und nun zur Zielscheibe wütender Vorwürfe.

Ich liebe diesen Verein“, sagte er im Januar 2025, während eines Interviews im Wintertrainingslager. „Ich glaube an das Projekt“, fügte er hinzu. Solche Aussagen – im Fußball oft als Bauchpinselei gegenüber den Fans verstanden – verschärften den Frust, als er schließlich die Ausstiegsklausel für Köln zog.


„Virkelig brutalt“: Die Hasskampagne

Bereits wenige Stunden nach dem Bekanntwerden des Wechsels verwandelte sich Jóhannessons Instagram-Profil in ein Schlachtfeld:

  • Todesdrohungen und Beleidigungen: Tausende Kommentare wünschten ihm Verletzungen, nannten ihn „Verräter“ oder schlimmer.
  • Psychischer Druck: „Det var virkelig brutalt… Jeg fik beskeder hvert sekund“ („Es war wirklich brutal… Ich bekam jede Sekunde Nachrichten“), sagte er gegenüber Bold.dk. Die Inhalte seien „meget voldsomme ting“ (sehr gewaltsame Dinge), über die er nicht öffentlich sprechen wolle.
  • Digitale Abschottung: Aus Selbstschutz deaktivierte er Kommentare und Direktnachrichten – ein Schritt, den viele Spieler bei umstrittenen Transfers mittlerweile gehen.

Der Traum, der den Schmerz rechtfertigte

Trotz allem hielt Jóhannesson an seiner Entscheidung fest – getragen von einem Kindheitstraum:
Jeg har altid drømt om at spille i Bundesligaen“ („Ich habe immer davon geträumt, in der Bundesliga zu spielen“).

Sein Vater, Ex-Premier-League-Spieler Joey Guðjónsson, unterstützte ihn:
Min far sagde, at det var min drøm… det ville være mærkeligt ikke at gribe muligheden“ („Mein Vater sagte, das sei mein Traum… es wäre seltsam, die Chance nicht zu nutzen“).

Sportlich war der Schritt nachvollziehbar. In der Saison 2024/25 war Jóhannesson Fortunas bester Feldspieler:

  • 11 Tore und 7 Assists in 32 Ligaspielen
  • 292 gewonnene Zweikämpfe, 3.873 Kilometer Laufleistung
  • Flexibel einsetzbar als Sechser, Achter oder Verteidiger

Kölns Rückhalt – und das größere Problem des Fußballs

Der 1. FC Köln reagierte prompt auf die Anfeindungen. Sportdirektor Thomas Kessler lobte Jóhannessons „positive Entwicklung“ und „fußballerische Qualität“. Der Klub gab ihm Rückhalt – mit einem Fünfjahresvertrag und der Bühne Bundesliga.

Doch der Vorfall zeigt tiefere Missstände auf:

  • Das „Heiligtum“-Paradox: Spieler küssen Wappen als Geste der Identifikation – Fans sehen darin ein Versprechen. Wer das einmal tut, darf aus Sicht vieler das Emblem nie „verraten“.
  • Emotionale Arbeitslast im Fußball: Wie BILD analysierte, werden Profis dazu gedrängt, die Emotionen der Fans zu bedienen. Das führt zu überzogenen Loyalitätserwartungen in einem Beruf, der oft rein karriereorientiert ist.
  • Der giftige Beigeschmack von Rivalität: Die Fehde Düsseldorf–Köln ist zwar nicht Kölns größte, aber sie entwickelte in diesem Fall eine besonders persönliche Schärfe.

Blick nach vorn: Neues Kapitel mit alten Narben

In seiner ersten Botschaft an die Köln-Fans schlug Jóhannesson versöhnliche Töne an:
Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das mir der Verein entgegenbringt.“

Privat jedoch bleibt die Erfahrung schmerzhaft:
Jeg forstår godt de følelser… men jeg kommer ikke til at sige, at jeg respekterer deres måde at reagere på“ („Ich verstehe ihre Gefühle… aber ich werde nicht sagen, dass ich ihre Reaktion respektiere“).

Als erster Isländer in Kölns Geschichte steht er nun unter Druck, seinen Preis zu rechtfertigen – und Kritiker sportlich zum Schweigen zu bringen. Der Bundesliga-Start steht bevor, und das RheinEnergieSTADION könnte zum Ort seiner Erlösung werden: ein Ort, an dem Hass in Anerkennung verwandelt wird.


Epilog: In einer Fußballwelt, in der performative Loyalität zur Norm geworden ist, wirkt Jóhannessons Geschichte wie eine Warnung. Ein enttäuschter Fortuna-Fan kommentierte im GEISSBLOG:
Nichts, was er jetzt sagt, wird es für uns besser machen.“

Doch für Träumer wie ihn flüstert sein Durchhaltevermögen eine andere Wahrheit:
Der Hass vergeht – die Karriere bleibt.

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